"Dir stehen die Haare super und man sieht überhaupt nicht, dass es nicht deine sind! Aber ich könnte sowas nicht tragen, das bin einfach nicht ich." Diese Aussage habe ich schon von einigen Frauen gelesen, die ein Video oder Bild von mir mit meinen Haarteilen gesehen haben. Und immer wieder fiel die Aussage: "Mit Haarersatz kann ich mich nicht anfreunden - das ist so fake und das bin dann einfach nicht ich".
Ja, in gewisser Weise ist Haarersatz fake. Es sind nicht meine Haare, die da auf meinem Kopf liegen. Aber mal ganz ehrlich: Wie natürlich sind vor allem wir Frauen, sobald wir das Haus verlassen? Ich bin absolut kein Make-up-Junkie und hasse es, morgens viel Zeit im Bad zu verbringen. Dennoch bin ich seit Jahren nicht ohne Mascara vor die Tür gegangen - denn ohne sehe ich aus wie der Tod in Latschen. Auch der ein oder andere Pickel möchte selbst jenseits der Pubertät noch abgedeckt werden und ein bisschen Puder für den ebenmäßigeren Teint sollte auch nicht fehlen. Zum Ausgleich dann aber bitte ein bisschen Rouge, zu farblos soll es ja auch nicht sein. Nicht zu vergessen der Augenbrauenstift, damit das Gesicht ein bisschen Kontur bekommt. Das dauert gerade mal 5 Minuten und ich gehöre wirklich zu denjenigen, die nahezu ungeschminkt sind.
"Fake sein" ist Definitionssache
Vergesst auch bitte nicht den Push-up-BH, Wimpernverlängerungen, künstliche Fingernägel, Permanent-Make-up, Zahnkorrekturen á la Veneers und die guten alten Extensions. Es gibt so viele große und kleine Hilfsmittel, damit Frauen und Männer ihr Aussehen im Alltag ein wenig (oder ein wenig mehr) pimpen können. Klar, nicht jede(r) macht das alles, aber ein bisschen Schminke ist für die meisten einfach Alltag. Es kommt also gar nicht so sehr darauf an, ob wir wirklich komplett natürlich sind - so wie Gott oder das Universum uns geschaffen hat - sondern darauf, wie wir "natürlich" und "fake" definieren. Das wiederum ist abhängig von unserer kulturellen und gesellschaftlichen Prägung.
Alternative Haare sind so normal wie künstliche Fingernägel
Zumindest in den USA und sicherlich auch noch in anderen Teilen dieser Welt. Schon allein durch den größeren kulturellen Einfluss der People of Colour sind Haarteile und Perücken ein viel selbstverständlicheres Thema als hierzulande. Je weiter etwas im Mainstream verbreitet und angekommen ist, desto normaler erscheint es uns. So ist doch zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Extensions (total normal, keiner würde da zweimal nachfragen) und Haarteil/Perücke (schambehaftet, oft mit Krankheit assoziiert) völlig unsinnig. Es handelt sich bei beiden Arten des alternativen Haares um Fremdhaar, das mit dem eigenen verbunden wird. Wenn man sich darüber im Klaren ist, dann wird auch deutlich, dass der Unterschied nur im eigenen Kopf besteht und auch nur dort geändert werden kann.
Fake oder nicht - nur deine Meinung zählt
Ich kann dir tausendmal erzählen, dass ich mich mit meinen Haarteilen absolut natürlich und nicht fake fühle. Dass es für mich zur normalen Tagesroutine gehört, mein Haarteil aufzusetzen und etwas Wimperntusche aufzutragen. Wenn du in deinem Kopf die Vorstellung hast, dass alternative Haare dich "unecht" wirken lassen, dann wirst du dich auch so fühlen. Ich sage dir aber auch, dass es mir früher ähnlich ging. Auch ich habe mich wie eine Mogelpackung gefühlt - mit einem Haarsystem, das sich für mich unnatürlich angefühlt und auch so ausgesehen hat. Das hat sich erst geändert, als ich Haarteile entdeckt habe, die eben wirklich natürlich aussehen und keine komischen Kommentare oder Blicke von Außenstehenden provozieren.
Probieren geht über studieren
Ich kann nur allen Frauen, die an Haarausfall oder dünnen Haaren leiden, empfehlen, es einfach auszuprobieren. Besonders wenn dein Leben und dein mentaler Zustand durch den Haarausfall beeinträchtigt wird, solltest du nach Alternativen suchen, die dich wieder zufriedener machen. Schon allein das Wissen, dass es im schlimmsten Fall eine Lösung für dein Problem gibt, kann die Verzweiflung etwas mindern. Und je mehr Frauen (und Männer!) Haarersatz tragen und dazu stehen können, desto eher normalisiert sich das ganze Konzept. So wird es in Zukunft für Betroffene immer leichte, ohne Scham über ihre Probleme und Ängste zu sprechen.
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